So hat es Manfred Fuss seiner Frau erklärt. Er war fast zwei Jahre lang Besucher im Lebensraum Tageshospiz Kleingmain. Seine Frau Christine Fuss hat uns von dieser Zeit erzählt, vom ersten Schock, über die vielen Erfahrungen, bis hin zu herzlicher Dankbarkeit.
„Wenn man Hospiz hört, da bleibt einem die Luft weg“, so schildert Christine Fuss den Moment, als sie zum ersten Mal von dem Angebot Lebensraum Tageshospiz hörte. Ihr Mann war einen Monat nach Pensionsantritt mit Nierenversagen in die Klinik gebracht worden. Diagnose: Prostata Krebs mit Metastasen.
Eigentlich war der Plan für die Zeit der Pension gewesen zu reisen. Der größte Traum war eine Weltreise mit dem Schiff. Doch dann kam alles anders. Am 1. September 2022 holte Frau Fuss ihren Mann, den gebürtigen Niederösterreicher nach Salzburg, schwer krank, wie sie erzählt. Er erhielt eine Chemotherapie und fühlte sich danach todkrank. Er konnte nicht mehr liegen, nur mehr sitzen, hatte große Schmerzen. Frau Fuss realisierte, dass sie immer „unguter“ zu ihm war. „Ich war unfreundlich, aggressiv, wenn er seine Tabletten nicht genommen hat. Und dann habe ich nachgelesen, warum ich so war und habe gelernt, dass auch andere Angehörige böse werden, wenn jemand so krank ist, weil man Angst hat. Man ist überfordert.“ Für sie war das der Grund, sich Hilfe und Informationen zu holen, wandte sich an die Krebshilfe Salzburg, wo sie von Mag.a Martha Lepperdinger beraten wurde.
Hospiz – ich wollte das nicht hören. „Frau Lepperdinger hat das erste Mal das Wort Hospiz ausgesprochen. Ich wollte das zuerst ja gar nicht hören! Dann hat sie mir erklärt, dass Menschen wie mein Manfred, denen es so schlecht geht, im Tageshospiz unterstützt werden. Ihnen und den Angehörigen – also uns – dort geholfen wird. Hospiz heißt nicht sterben, sondern begleiten und helfen. Sie meinte damals, dass mein Mann trotz seiner Krankheit vielleicht noch Monate gut leben kann und ich soll das einfach machen!“
Christine Fuss hat im Tageshospiz angerufen: „Die waren vom ersten Moment an so nett, wir konnten auch gleich mal kommen. Manfred war beim ersten Besuch in einem ganz, ganz schlechten Zustand. Wir haben nichts mit ihm besprechen können, er ist einfach nur dagelegen und hat gleich eine Infusion bekommen.“
Wie eine Kuscheldecke. Im Laufe der Wochen konnte sie erleben, wie es ihrem Mann besser ging. Nein, das immer erhoffte Wunder, das ihn völlig heilen würde, kam nicht, aber eine rundum Hospiz- und Palliativbetreuung. Das Wesentliche an Hospiz und Palliative Care ist es, Patient*innen als den ganzen Menschen, die Persönlichkeit zu sehen und zu behandeln. Wie es Frau Fuss beschreibt: „Dort war er der Manfred Fuss, nicht eine Nummer oder das Prostatakarzinom, sondern der ganze Mensch. Und er selbst hat es so beschrieben: Wenn man in das Haus kommt, ist es so, als würde Dir jemand eine Decke, eine Kuscheldecke umlegen und sagen: wir machen das.“ Weder sie noch ihr Mann wussten, dass der Begriff Palliativ von dem lateinischen Wort Pallium stammt – das heißt Mantel, ummanteln.
Zwei Sackerl voll Medikamente. Zur Begleitung im Lebensraum Tageshospiz gehört auch, dass man die Liste an Medikamenten, die sich angesammelt haben, mit einer Ärztin bespricht. Bei Herrn Fuss waren es laut seiner Gattin „zwei Sackerl voll“. Übrig blieben wenige zu diesem Zeitpunkt notwendige Medikamente. Organisiert werden diese dann über das Tageshospiz und die Besucher*innen – so werden die Patient*innen genannt – erhalten sie bei ihrem wöchentlichen Aufenthalt. „Man muss nicht selbst in die Apotheke Tabletten holen, weil das alles für dich organisiert wird. Das wird einem alles abgenommen“, schwärmt Frau Fuss heute noch.
Man kann Expert*innen fragen. „Das Gute ist auch, dass man immer einen Arzt vor Ort hat. Man muss nirgendwo hinfahren und warten, zuerst auf den Termin, dann vor Ort, und man ist nicht die Nr. 35 sondern der Herr Fuss. Jeder hat ihn begrüßt, wenn er gekommen ist. Und es wird auch viel gelacht! Man geht einfach gern hin.“ Herr Fuss war begeistert von der Tatsache, dass man alle Ärztinnen kennt und meistens dieselbe Ansprechpartnerin hat und schnell alle Pflegekräfte kennt. „Natascha, die Pflegefachkraft mochte er besonders, da hat einfach die Chemie gestimmt zwischen den beiden“, berichtet seine Gattin lachend. „Da hat man Vertrauen und sie sind alle so gut – in ihrem Job und als Menschen!“, ist Christine Fuss überzeugt.
Im Lebensraum Tageshospiz Kleingmain arbeiten vier Palliativ-Ärztinnen und sieben Palliativ-Pflegefachkräfte. Im Mittelpunkt steht die Schmerztherapie, kurz die Lebensqualität der Besucher*innen, deren Entscheidungen akzeptiert werden. So wollte Manfred Fuss keine weitere Chemo oder Bestrahlung, erzählt seine Frau. „Und das Team im Tageshospiz hat das akzeptiert, da ist keiner beleidigt, wenn man keine weitere, solche Behandlung mehr will. Dieses „ihn lassen“ hat ihm gut getan, wie auch die Herzlichkeit: Frau Dr. Singh hat einmal am Abend daheim angerufen, voller Freude, um uns zu sagen, dass der Marker runter gegangen ist. Sie wollte diese gute Nachricht gleich mit uns teilen! Und das macht auch etwas mit Dir! Das gibt Dir Energie!“
Das wird dir abgenommen. Sie als Angehörige hat die wöchentlichen Besuche ihres Mannes im Lebensraum Tageshospiz auch als große Erleichterung und Unterstützung empfunden. „Du wirst dadurch so entlastet. Ich war ja am Limit. Und so hatte ich einen freien Tag in der Woche und wusste Manfred freut sich, wenn er hinfahren kann. Das war für mich so wichtig, dass er es nicht mir zu Liebe macht, nein er war wirklich gerne dort. Und all diese Unterstützung ist kostenlos! Das ist wirklich Luxus!“ freut sich Christine Fuss.
Eine Art Familie für Manfred. „Er hat im Lebensraum auch einen Platz gefunden, wo er mit Menschen sprechen konnte, hat dann auch einige andere Besucher besser kennen gelernt mit denen er die Leidenschaft fürs Reisen teilte. Er hat Fotoalben von früheren Reisen mitgenommen und hergezeigt! Auch vertrauensvolle Gespräche konnte er führen, über Themen, über die er kaum mit jemandem gesprochen hat, mit denen er mich nicht belasten wollte. Dort war das für ihn möglich.“ Für Frau Fuss ist das Schönste an Manfreds Aufenthalt im Tageshospiz, dass er, bevor er gestorben ist, noch Menschen gefunden hat, denen er so vertraute, dass er ganz Privates erzählt hat. Er, der von Natur aus eher verschlossen war, hat in anderen Besucher*innen und auch in „seiner“ Ärztin Dr. Gerlach Gesprächspartner*innen gefunden, denen er sich öffnen konnte.
„Mir ist das erst im Nachhinein so bewusstgeworden, die Menschen im Tageshospiz waren seine Kontakte, nicht unsere oder meine, sondern seine. Es war eine Art Familie, Freunde für Manfred, klingt übertrieben, aber so war es für ihn. Irrsinnig vertraute Personen. Und er war ein Mensch, er hätte nie irgendetwas Privates einfach so erzählt und da konnte er sich dann öffnen. Dass man in der Phase, wo man als erwachsener Mensch so auf Hilfe angewiesen ist, einen eigenen „Raum“, eine eigene „Runde“ hatte, das freute mich so für ihn.“
Lachen und gutes Essen. „Heute haben wir wieder so gelacht!“, hat Herr Fuss seiner Frau oft erzählt. „Das glaubt ja keiner, wenn man Hospiz hört“, sagt sie ganz offen. „In meiner Vorstellung war das ein Ort, einer Kirche ähnlich, etwas düster, jeder ist schon irgendwie im Sterbeprozess. Und es ist ganz leise, keiner spricht und es wird natürlich nicht gelacht. Und dann war es so anders! Auch das Essen! ‚Mah´ so gut heute das Essen. Und die Nachspeise!‘ hat er immer wieder gesagt. Zuhause für zwei Leute kocht man nicht immer eine Nachspeise“, erklärt Frau Fuss lachend. „Er hat auch von den ehrenamtlichen Begleiter*innen erzählt, die er ganz liebevoll ‚Beiwagerl‘ genannt hat. Er mochte den Austausch mit ihnen und hat es auch genossen, wenn er seine Zeit in Ruhe mit seiner Pfeife hatte.“
Noch einmal Venedig. Die Weltreise ist sich nicht mehr ausgegangen, aber andere Reisen. Manfred Fuss ist im November ins Tageshospiz gekommen und Mitte Dezember konnte er zu einem Klassentreffen nach Niederösterreich fahren. Im Frühjahr war das Ehepaar gemeinsam in Venedig: „Venedig ist ja unsere Stadt, wir sind zwei Mal im Jahr hingefahren. Schon mit sechs Jahren habe ich gesagt, mit meinem Traummann will ich nach Venedig.“ Im Juni folgte noch einmal ein Aufenthalt in Kroatien und drei Wochen vor seinem Tod ging es mit dem Herzenswunschmobil des Roten Kreuz an den Gardasee. „Diese letzten Reisen waren nur möglich, weil Manfred ins Tageshospiz gekommen ist. Das Team hat das möglich gemacht.“

Für die allerletzten Tage. „Wir haben uns für die allerletzten Tage im stationären Raphael Hospiz angemeldet, aber uns wurde damals schon ganz offen gesagt, dass es sich wahrscheinlich nicht ausgehen würde, weil sie derzeit keinen Platz frei haben. Daraufhin bin ich vom Tageshospiz so unterstützt und informiert worden, damit Manfred zuhause sterben kann. Er konnte lange zuhause bleiben, ich habe immer mit einer der Ärztinnen telefonieren können. Mir ist einfach viel erklärt worden, auch dass es gut ist, wenn er in der Sterbephase nicht mehr isst, denn Essen wäre eine zusätzliche Belastung für den Körper. Am Freitag habe ich noch mit Frau Dr. Gerlach telefoniert, sie hat mich unterstützt einen Platz auf der Palliativstation zu bekommen, wo er am nächsten Tag verstorben ist.“
Uns wurde Zeit geschenkt. Frau Fuss ist überzeugt, dass ohne die Unterstützung und Begleitung durch das Team des Lebensraum Tageshospiz, ihr Mann noch im selben Jahr der Diagnose verstorben wäre. „Und so hat er noch fast zwei Jahre leben können und gut leben! Der Gedanke, jetzt stirbt er, weil er ins Hospiz muss, war falsch. Für ihn war es lebensverlängernd. Das Wort Hospiz war nicht sein Todesurteil, sondern steht für eine sehr gute Zeit.“ Heute erzählt sie allen davon, dass man sich vor dem Tageshospiz nicht fürchten muss. „Die Diagnose ist das eine, aber die Unterstützung, die man hier erhält, ist ohnegleichen! Und dadurch wird es für alle leichter. Der Stress fällt weg, dass man dahin und dorthin muss. Und man trifft auf kompetente Menschen, die Zeit haben und Ruhe ausstrahlen. Man begegnet sich auf Augenhöhe.“
Christine Fuss ist so dankbar für diese „Hospiz-Zeit“, wie sie es nennt. „Auch für uns als Paar. Es war die intensivste Zeit, seit wir uns kennen. Eine sehr wichtige, bereichernde Zeit, weil mein Mann so aufgemacht hat“. Sie denkt gern an Manfreds Beschreibung für den Lebensraum Tageshospiz: „Da bist Du ein anderer Mensch. Die Angst geht weg. Man fühlt sich irrsinnig gut aufgehoben.“ Und sie meint abschließend: „Es ist das Beste, was uns passieren hat können.“
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Susanna Kammeringer