Wozu ins Tageshospiz? Und was ist das eigentlich genau?

Wie erfährt man vom Lebensraum Tageshospiz, wann entscheidet man sich anzurufen und was bringt es einem?
Frau Schellander ist seit Jänner 2025 Besucherin des Lebensraums Tageshospiz Kleingmain und erzählt uns von ihrem Weg, Fragen und Erkenntnissen. Und was ihr hier so gut tut.

Das Team im Lebensraum Tageshospiz wünscht es sich und erlebt es meistens auch so, dass sich die Besucher:innen – so werden Patient:innen genannt – wohl fühlen, gut unterstützt und begleitet. Es ist jedoch nicht selbstverständlich, dass Betroffene über ihre Zeit im Tageshospiz mit Außenstehenden sprechen. Frau Schellander ist seit Jänner 2025 eine dieser Besucher:innen, immer Montags und Donnerstags, und ist bereit von ihrem Weg zu erzählen. Wir treffen uns zu dem Gespräch in einem der ruhigen Eckzimmer des Tageshospizes und ich erlebe sie als klare, kluge und reflektierte Frau.

Was passiert hier, das woanders nicht passiert? „Was macht für mich als Patientin den bedeutsamen Unterschied zwischen Klinik, Onko-Tagesklinik und Tageshospiz aus? Was passiert hier, das woanders nicht passiert?“ Mit diesen Fragen eröffnet sie selbst das Gespräch. Und sie hat sich wirklich Gedanken gemacht, hat auch mit einer sehr guten Freundin diese Fragen erörtert. Sie ist vorbereitet für das Gespräch, präsent. Ausgestattet mit ihren Notitzen.

Eine ihrer bereichernden Aussagen betrifft das, wie sie es nennt, „Nebenwirkungs-Management“, das geboten wird. Ja, ein Schwerpunkt von Palliative Care ist die Linderung von Symptomen bei stark fortgeschrittenen Erkrankungen. Dazu gehört auch „das Management“ der Nebenwirkungen von onkologischen Behandlungen. Den Begriff „Nebenwirkungs-Management“ hat Frau Schellander erfunden, uns sozusagen geschenkt, passend zum 25 jährigen Jubiläum des Lebensraum Tageshospiz Kleingmain.

Eine ganz großartige Leistung. Besonders ist für sie auch der „unglaublich wertschätzende, freundliche und wohlwollende Umgang hier! Wobei für mich die menschliche Kompetenz die priorisierte Leistung ist, denn die medizinische Kompetenz setzt man ja fast voraus.“ Sie betont, wie sehr sie das schätzt und auch erstaunt ist, „dass man sich so unglaublich bemüht, unterschiedliche Lösungen zu finden, anzubieten und nicht aufgibt! Das ist für mich eine ganz großartige Leistung.“ Für diese Lösungen verwendet das Team eine große Bandbreite an Hilfsmitteln, die Frau Schellander auch beeindruckt. „Von klassischen Hausmitteln wie Leberwickel und sog. alternativen Methoden wie Homöopathie, Physiotherapie bis hin zur klassischen, medikamentösen Schmerztherapie wird einem alles angeboten!“

Für sie liegt der Fokus in der Klinik auf der Heilung. „Macht ja auch Sinn“, sagt sie. „Im kurativen Bereich versucht man zu heilen, die Krankheit hinaus zu schieben, sie zu kontrollieren.“ Was ihrer Erfahrung nach im fortgeschrittenen Stadium einer Erkrankung manchmal zu kurz kommt, ist die Lebensqualität. „Lebensqualität steht im Tageshospiz im Zentrum – das ist ein großer Unterschied.“

Die Haltung mach den Unterschied. „Ja, es geht um die Lebensqualität“, nimmt Frau Schellander mich weiter mit auf ihre gedankliche Reise, „aber was trägt diesen Fokus, hab´ ich mich gefragt. Ich dachte zuerst, es ist die Zeit, die hier Pflege und Ärzt:innen für die Betreuung der Besucher:innen haben. Aber das allein ist es nicht. Es ist die Haltung die für mich den Unterschied macht, das Weltbild. Dieses Weltbild prägt auch jedes Gespräch – ich habe hier noch nie ein misslungenes Gespräch gehabt!“, freut sie sich sichtbar. Und sie ist auch berührt.

Die Haltung, von der hier gesprochen wird, ist geprägt von den Werten die unter Hospizkultur und Palliative Care zusammengefasst werden. Einen wesentlichen „Baustein“ hat sicher die Begründerin der modernen Hospiz Bewegung Cicerly Saunders in den 1960er Jahren mit ihrem „Total Pain“ Konzept gelegt. Dieses Konzept bildet das Herzstück jeglicher Hospizbegleitung und sieht nicht „nur“ den physischen Schmerz, sondern auch den psychischen, sozialen und spirituellen. Schlicht, es wird immer versucht, den ganzen Menschen zu sehen. So entsteht Lebensqualität, die auch im Namen: Lebensraum Tageshospiz ihren Ausdruck finden soll und vielleicht als „Total Care“ bezeichnet werden kann.

Eingebettet in ein Versorgungsnetz. Ein weiterer Punkt der angesprochen wird, ist die „Rundum Versorgung“ die der Lebensraum Tageshospiz bietet. Versorgung auch im Sinne von Vernetzung. Alle Mitarbeiter:innen der Hospiz-Bewegung sind vernetzt, wissen wer Ansprechpartner:in wofür ist, kooperieren. Dieses Netzwerk wird den Menschen, die wir begleiten zur Verfügung gestellt und bewirkt, dass Begleitete und ihre An- und Zugehörigen sich im Idealfall aufgehoben fühlen, „eingebettet“ wie es Frau Schellander nennt.

Sie hat zwei erwachsene Kinder und Freundinnen, die ihr persönliches Netzwerk bilden. „Ich bin der Meinung, dass die auch mal frei brauchen, Zeit für sich. Denn man hat nur begrenzt Ressourcen“, ist sie überzeugt und kämpft kurz mit den Tränen. Es wird klar, wie sehr ihr dieses Thema – die Entlastung ihrer Lieben − am Herzen liegt. Allen Betroffenen.

Was tut mir hier so gut? „Ich hab’ mir überlegt, was es denn genau ist, was mir hier so gut tut. Ich wollte es in ein Wort fassen und tu mir sehr schwer damit … was ist es eigentlich? Mir wurde klar: man bereitet mir hier einen guten Tag. Und so fühlt es sich an, dass das hier das oberste Ziel aller ist – den Besucher:innen einen guten Tag zu bereiten. Ganz umfassend – medizinisch, atmosphärisch – einfach zwischenmenschlich.“ Auch das erinnert an das Ziel, das Cicerly Saunders formulierte: den Tagen mehr Leben zu geben. Und Leben umfasst alles: füreinander da sein, hinschauen und hinhören, kochen und gemeinsam essen, erzählen, weinen und lachen … 

Warum bin ich erst jetzt hier? Frau Schellander hat auch erfahren, dass viele Besucher:innen des Lebensraums Tageshospiz im Nachhinein sagen, hätten sie gewusst, wie gut ihnen der Lebensraum Tageshospiz tut, wären sie schon früher gekommen. Ihr scheint es wesentlich, von wem die Empfehlung, sich an den Lebensraum Tageshospiz zu wenden, kommt. In ihrem Fall waren das Vertrauenspersonen, „Menschen zu denen ich eine persönliche Beziehung habe, einmal war es der Psychoonkologe von der SALK, dann eine Bekannte, die eine Verbindung hierher hat. Keine neutrale Empfehlung, sondern Personen, denen ich Einfluss zugestehe. Und trotzdem habe ich es nicht früher gemacht. Die Empfehlungen gab es im Oktober und Anfang Jänner habe ich angerufen, um ein Erstgespräch zu vereinbaren.“

Ein Grund war, dass sie ja schon einmal pro Woche in der Tagesklinik der SALK war und sich fragte, ob sie wirklich noch einen Termin wollte. Und dann war da die Frage nach dem wofür: „Was soll mir das bringen? Ich bin ja eh´ medizinisch versorgt, kann dort sagen, welchen Nebenwirkungen ich habe, dachte ich. Heute weiß ich, dass das Nebenwirkungs-Management hier so viel besser ist!“

Berührungsängste. Und dann ist da noch das Wort Hospiz. „Ich dachte, Hospiz heißt Endstation“, meint Frau Schellander ehrlich. „Und da hatte ich natürlich Berührungsängste. Ich bin doch noch nicht zum Sterben!“, erzählt sie. „Auch wenn man mir gesagt hat, nein, nein, das ist dort nicht so. Dort verbringst Du einen guten Tag!“ 

Zu diesem Zeitpunkt konnte sie auch noch eine sehr gute Freizeit verbringen, konnte sich gut bewegen, kleine Radtouren gingen. „Ich war gut beschäftigt und dachte mir: Hospiz, dafür geht es mir noch zu gut. Dann kamen Beschwerden und ich konnte kaum mehr gehen, nicht mehr selbst Autofahren … und da dachte ich mir: jetzt noch einen Termin mehr pro Woche, den bewältige ich nicht. Ich wusste auch, dass es die Möglichkeit gibt, mit dem Roten Kreuz ins Tageshospiz zu kommen und dann dachte ich mir: Baah´ dann steht vor meinem Haus ein Rot Kreuz Wagen – das will ich nicht.“ Solche Argumente hatte sie, wieso das jetzt nicht geht. Nach einem Moment des Schweigens meint sie, dass diese Argumente zu der Zeit auch richtig waren. „Vielleicht braucht es einfach Zeit. Ich denke heute, dass es den richtigen Zeitpunkt nicht gibt. Für jede und jeden ist er dann da, wann sie oder er eben die Entscheidung trifft und kommt.

Beides geht! Klinik und Lebensraum Tageshospiz! Sie stimmt auch dem Gedanken zu, dass die Auseinandersetzung mit einem Besuch im Lebensraum Tageshospiz noch einmal mehr eine intensive Auseinandersetzung mit der terminalen Erkrankung und auch dem Tod bedeutet. Und doch denkt sie, aus heutiger Sicht, ihr hätte es geholfen zu verstehen, dass es nicht entweder oder ist. Nicht entweder Klinik oder Lebensraum Tageshospiz, sondern dass beides geht. Sowohl die Betreuung in der Tagesklinik wie auch im Lebensraum Tageshospiz. Es geht beides! 

Ein großes Anliegen der Palliativmedizin ist es seit Jahren, ihre Angebote viel früher mitzudenken und einzubeziehen. Im Idealfall bereits mit der Diagnose einer sehr schweren Erkrankung, um von den Möglichkeiten wie das palliative „Nebenwirkungs-Management“ zu wissen. Frau Schellander hat im Tageshospiz erfahren, dass einige der Besucher:innen beide Institutionen in Anspruch nehmen: Klinik UND Tageshospiz. „Das finde ich super g’scheit!“

„Meine Entscheidung fiel, als ich gewusst habe, dass ich keine Chemo mehr mache. Als ich mich gegen die Chemo entschieden habe, war in der Klinik auch klar, dass damit die Betreuung dort zu Ende ist. Natürlich wird einem angeboten, sich in Notfällen an sie zu wenden. Da war klar, es ist jetzt Zeit für den Anruf im Tageshospiz.“ Heute weiß sie, dass es auch anders gegangen wäre, wenn sie beides in Anspruch genommen hätte. „Und das wäre wunderbar gewesen, denn ich denke, dann hätte ich mir viele gesundheitliche Probleme erspart, im Sinne des hier möglichen Nebenwirkungs-Management.“

Unterschied: Hospiz – Lebensraum Tageshospiz. Ihr war, wie vielen Menschen, einfach auch nicht so klar, was ein Tageshospiz ist und bietet. Mit Hospiz verbindet man oft das stationäre Hospiz, einen Ort, an dem man wie in eine Klinik eincheckt, aufgenommen wird und ein Zimmer bezieht. Als „die Wohnform zum Lebensende“, bezeichnet es Frau Schellander. „Tageshospiz? Ich dachte, das ist halt die Tagesbetreuung zum Lebensende, aber das stimmt ja gar nicht!“ 

Sie denkt nach und wünscht sich eine Beschreibung für das Angebot Lebensraum Tageshospiz und meint: „Wäre nicht ein Untertitel hilfreich, wie: Tageshospiz – ein Lebensraum bei schwerster Krankheit oder Lebensfreude trotz Krankheit! Denn das ist es.“

Liebe Frau Schellander,
wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch, die feinfühlige Art, wie Sie sich auf die Fragen eingelassen haben und ihre Gedanken und Antworten mit uns geteilt haben.

Und ganz Tageshospiz, versuchen wir auch hier ihren Wunsch nach einer Beschreibung zu erfüllen. Mehr noch, wir möchten alle Leser:innen ganz herzlich einladen, Ihre Ideen mit uns zu teilen: [email protected]

DIESEN BEITRAG TEILEN